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Escape The Code

Die Idee war nur auf den ersten Blick gut: Unsere Arbeit wird von Maschinen erledigt, die wir über unseren Verstand steuern. Blöd, wenn das so entstandene weltgrößte Computernetzwerk die Macht übernommen hat und alles umdreht: Jetzt steuert es uns.

Um die Macht der Maschinen zu durchbrechen, müssen wir in das Innere des Netzwerks eindringen, im Computer eine EMP-Bombe platzieren und alle Elektronik damit vernichten. Machen wir uns an die Arbeit.

Es gilt: Wir haben die Menschheit zu retten. Leider haben die Maschinen das bemerkt. Mit jeder Minute, die verstreicht, werden mehr Menschen in völlig Abhängigkeit der Maschinen geraten und nicht mehr zu retten sein. Uns bleiben 86 Minuten. Danach sind wir die einzigen, die noch frei sind. Je schneller wir sind, desto mehr Menschen werden wir befreien.

Innovativ oder einfach anders?

Die Story klingt mal ganz innovativ und scheint etwas anderes zu sein, als in den bisher gespielten Escape Rooms. Schauen wir mal aufs Detail.

Worum geht es hier eigentlich?

"Escape The Code" ist ein Escape-Room. Diese Teamspiele gibt es jetzt seit einigen Jahren und sie haben die unterschiedlichsten Stories, aber immer ein gleiches Element:

Eine Gruppe von Spielern läßt sich gegen Geld und natürlich freiwillig in einem Raum einschließen. Wobei Raum hier nicht wirklich zutrifft, vielmehr sind es diverse Räume. Dazu gleich mehr. Dann gibt es ein Zeitlimit - bei den meisten Räumen sind das 60 Minuten, hier wird die Spielzeit auf bis zu 86 Minuten ausgeweitet. Dann muss die Aufgabe gelöst sein.

"Room Escape Hannover" war der erste Anbieter dieser Art in Hannover. Begonnen hat es als Zusatzangebot eines Rockclubs mit Escape Rooms der ersten Stunde - schlichte Büroräume ohne Storys mit Rätseln zum Türschlüsselfinden. Heute dürfte der Anbieter der flächenmässig größte Anbieter in Hannover sein und betont auf der eigenen Website, wie gut sich die Spiele für größere Gruppen eignen. Die klassischen Räume der ersten Stunde gibt es immer noch, hinzugekommen sind neben dem neuesten Raum "Escape The Code" ein Raum zum Thema Inka Schatz, zu Zeitreisen und zur Flucht von einer Militärbasis. Der Anbieter wirbt damit, der günstigste Anbieter in Hannover zu sein. Stimmt. Warum das problemlos aufgeht, steht am Ende des Textes.

"Escape The Code" ist anders als die bisherigen Spiele, die ich gemacht und hier beschrieben habe. So kennen viele Escape Games die Idee eines versteckten Raums oder eines Geheimgangs, den man irgendwann entdeckt. Häufig ist das mit einem dramaturischen Eingriff in die erzählte Story verbunden. Bei diesem Raum weiß man bereits von der Website des Anbieters, dass man sich in den maximal 86 Spielminuten durch sechs Räume rätseln wird. Doch dieses Vorwissen ist nicht das einzig besondere: Jeder Raum hat einen eigenen Countdown - man spielt also nicht maximal 86 Minuten für das gesamte Spiel, sondern bekommt vier Abschnitte mit jeweils eigener Zeitvorgabe, die insgesamt 86 Minuten ausmachen, falls man die Zeit komplett verbraucht. Am Ende eines Abschnitts hat man dann entweder alle Rätsel gelöst und kommt in den nächsten Raum weiter oder man war nicht erfolgreich - dann öffnet sich die Tür zum nächsten Abschnitt ebenfalls und es geht weiter. Der Unterschied liegt dann nur in einem Zähler, der zeigt, wie viele Menschen im Storykontext noch gerettet werden können. Je schneller man ist, desto mehr. Quasi eine Art Highscore... Umgekehrt heißt das, dass ein vollständiger Durchlauf auch durch Aussitzen ohne Rätseln gelingt.

Mit vier Abschnitten habe ich mich hier auch nicht verschrieben, wirbt doch der Anbieter mit sechs Räumen. Mitgezählt werden der Vorraum zur Storyeinführung und ein Verbindungsgang. Große Zahlen waren schon immer etwas fürs Marketing. Wenn ich hier auf die Tatsache eingehe, dass es mehr als einen Raum gibt, bleibt das Spoilerfrei, da der Anbieter das bereits vor Spielbeginn verrät.

Los geht es in einer kleinen Kammer, in der man erst vom Spielleiter ein paar Worte erklärt bekommt und dann ein Introvideo sieht, das in die Story einführen soll. Der Spielleiter erklärt dabei sehr genau, was im ersten Raum zu machen ist und weißt auf ein seiner Meinung nach besonders schweres Rätsel hin, dass bisher kaum jemand gelöst hätte. Nun drücken wir den Startknopf (sic!), die Tür zum ersten Raum öffnet sich und der Countdown läuft.

Wir finden uns in einem Zimmer wieder, das eine Mischung zwischen Bibliothek und Büro eines Abenteuerreisenden entspricht. Thematisch aufwändig gestaltet fehlt leider jegliche Bindung zur Story vorher. Die Rätsel wechseln zwischen banal und unverständlich (nicht schwer, sondern eben unverständlich: Was will eine bestimmte Sache von uns). Ein Hilfesystem gibt es nicht - auch das ist eine Abweichung gegenüber den anderen Räumen. An einem gewissen Punkt ist dann die Stelle erreicht, die laut Spielleiter kaum jemand lösen konnte. Hier kommt der Spielleiter in den Raum und erklärt die Rätsel durch mehr oder weniger deutliche Hinweise, ohne das er dabei einen in die Handlung eingepassten Anteil hätte. Das wirkt wie ein massiver Stimmungskiller. Da andererseits an vielen Gegenständen Dymostreifen mit kleinen Texten kleben, was man da tun kann oder nicht darf, ist das insgesamt unausgeglichen. Schade: Der Raum hätte vom Setting her sehr viel hergegeben.

Im zweiten Raum darf man mit neu gestartetem Timer dann drei Runden einer Art Mastermind auf großen Monitoren spielen, um an Hilfestellungen für das eigentliche Haupträtsel zu gelangen. Das wirkt variantenarm. Auch dieser Raum ist ansprechend gestaltet, steht aber nur sehr lose im Storykontext. Einen Raum weiter gibt es technisch raffinierte Rätselkost, die zu beliebigen anderen Storys passen würde und nicht schwer ausfällt. Der "Wow"-Eindruck der Umsetzung für alle Bastler bleibt das beeindruckenste.

Der letzte Raum mit dem vierten Timer hat uns dann viel Zeit gekostet, weil wir zu tief in die Story eingestiegen sind: Wir stehen hier nun endlich vor dem Rechner, den es zu zerstören gilt. Im Fußboden ist ein Rätsel eingebaut, das wir als Barriere vor dem Zugriff auf den Rechner interpretieren. Beim Betreten des Raumes fällt der Blick auch als erstes auf Dymos, die darauf hinweisen, wass mit dieser Konstruktion zu machen ist. Also versuchen wir es. Leider falsch: Entgegen den Hinweisen und der Storyline ist erst der Computer zu deaktivieren und dann als letztes das Fußbodenrätsel zu lösen. Macht keinen Sinn, ist aber so. Und hat uns leider zu viel Zeit gekostet.

Fazit: Insgesamt waren wir nicht so überzeugt wie von den anderen Spielen. Die Ausführung der einzelnen Aufgaben war zwar auf einen sehr hohen Niveau umgesetzt, die Bindung an die Story und ein klarer roter Faden fehlten aber genau wie ein sinnvolles Hilfesystem. Da gibt es Luft nach oben. Bedingt durch die abgegrenzten Räume mit eigener Zeitmessung und den überwiegend technischen Rätseln, die wenig Aufräumarbeit erfordern, kann bei "Escape The Code" alle 30 Minuten eine Gruppe starten. Damit ist in einem Spiel mehr als eine Spielgruppe unterwegs. Beim Rätseln merkt man dies nicht, das Konzept geht auf und es stört nicht. Der Anbieter ist deutlich preiswerter als andere. Dabei ist er nicht "billig" im negativen Sinne, der hohe Durchfluss von Spielern zur gleichen Zeit erlaubt wohl eine andere Kalkulation. Nebenwirkung: Die Aufgabe "Finde zu Spielbeginn einen Ansprechpartner" kann zu einem herausfordernden Rätsel werden, weil es ziemlich hektisch zwischen wartenden Gruppen, rennenden Spielleitern und Ausschankbetrieb an der Bar wuselt.

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